Seidl landet einen thematischen Blattschuss – leider ist SAFARI filmisch nur ein Streifschuss.
Das Thema ist gut, keine Frage, aber inhaltlich hat der Film wenig Substanz vorzuweisen. SAFARI bietet 1,5 Stunden rohes Beobachtungsmaterial, wie sich die Jäger an ihre Beute heranpirschen. Nach dem ersten Tötungsakt folgen zwei weitere Auflauerungen und Niederstreckungen. Insgesamt werden Gnu, Zebra und Giraffe geschossen und anschließend gehäutet. Dass die Jägerfamilie dann über den Reiz des Tötens in Euphorie gerät und Freudentränen in den Augen hat, während man sich “Waidmannsheil” zuruft, sowie über die tolle Zebradecke für zu Hause schwärmt, finde ich jetzt nicht sonderlich schockierend noch überraschend.
Generell kommt es mir vor, als hätte Seidl das Material neben der Produktion von Paradies:Liebe zwecks örtlicher Nähe abgefrühstückt und jetzt für einen weiteren Film aufbereitet. Ergo wurde das Thema halbherzig und oberflächlich behandelt. Da geht definitiv noch mehr!
Interessant wäre gewesen, die Einheimischen, neben der üblichen Hilfsarbeiten wie Abtransport der Kadaver, Häuten der Tiere und dem Zerkleinern des Fleisches, tief greifender zu thematisieren und vor allem deren Standpunkt in dem ganzen Spiel heraus zu arbeiten. Natürlich weist Seidl auf die Ausbeutung und noch immer vorherrschende rassistische Betrachtung des “schwarzen Mannes” hin, indem ein Pensionisten-Ehepaar immer wieder versichert, dass die Schwarzen eh ganz “normale” Menschen sind, mit eben dunklerer Haut und der mit den Jagdurlaubern das große Los gezogen hätte, der ja folglich mindestens doppelt soviel Geld ins Land bringt wie der normale Urlauber: “Gnu € 615,-, Wasserbock €1.400,-,…”
Visuell ist vor allem das Standbild diverser ausgestopfter Tierköpfe an der Wand besonders ausdrucksstark. Zwischen den Tiefköpfen hat Seidl eine junge schwarze Frau platziert. Jedoch welche Auswirkungen der Jagdtourismus auf die Einheimischen und die Natur hat, sieht man lediglich angedeutet in der Porträtierung einer einheimischen Familie die über Feuer etwas kocht und des “schwarzen Mannes” der nach getaner Arbeit an der Lehmwand einer Wellblechhütte lehnt und an einem rohen Kadavarbein kaut. Mehr als das bisschen Fleisch am Zebrabein bekommt auch der hungrige Kinozuschauer nicht zu beißen. Das ganze Pulver wurde leider im Trailer schon verschossen.
Seidl certainly landed a thematic shot into the chest – unfortunately SAFARI turns out to be a cinematically graze shot.
The topic is interesting, no doubt, but the content of the film achieved little substance. SAFARI provides 1.5 hours of raw observational data such as hunters stalking their prey. After the first act of killing we observe two more waylays and shot downs. Overall, wildebeest, zebra and giraffe are shot and skinned afterwards. I am not shocked overall that after the thrill of killing the hunter family euphorically burst in tears of joy while they congratulate each other with “Waidmannsheil” and dreaming about the zebra blanket for their home.
Generally speaking it occurres as if Seidl shot the material in addition to the production of Paradise: Love purposed local proximity. Years later he used the material for a new film. Ergo, the subject was half-hearted and superficial. You can definitely improve on that!
Interesting would be, to discuss profoundly the role of the locals besides their usual grunt work such as carcasses transport, to skin animals and to cut up the flesh. Of course Seidl does mention the exploitation and still prevailing racist contemplation of “black men” by staging a retired couple assuring that black people are “normal” humans with darker skin color. Besides black men should be grateful because hunting travelers bring twice the money as the usual tourists into the country: “Gnu € 615, -, waterbuck € 1.400, -, …”
Visually exceptionally expressive is the statue of various stuffed animal heads on the wall amid standing a young black woman. However the impact of hunting tourism on the locals and nature is merely portrayed by a local family who cooks some food over wood fire and by a “black man” leaning after work on the mud wall of a shack and chewing on a raw bone of carcass. The hungry movie viewers don’t get more to bite than the bit of meat on the zebra leg. Unfortunately Seidl has shot his bolt in the trailer.
21. September 2016 at 10:16
1. Schön ists immer, wenn Artikel Korrektur gelesen wird.
2. Find ich die Kritik inhaltslos. Seidl macht keine Dokumentarfilme. Sicher ist das sein Zugang, aber schlussendlich sind seine Filme inszeniert. Sein Stil ist das Draufhalten und Zeigen und zwar oft so lange, dass man es kaum mehr aushält. Die vielen Lücken, die er in jedem seiner Filme lässt, kann der/die Zuschauer_in selber füllen. Die Wünsche/Verbesserungsvorschläge, die du äußerst, beziehen sich ja ganz klar auf eine klassische Doku, wobei Seidl Filme das schlicht und einfach nicht sind.
LikeLike
21. September 2016 at 16:27
Liebe/r anonyme/r S,
danke für deine Kritik.
1) Ich werde eine/n LektorIn einstellen, sobald ich mit meinem Blog finanzielle Erträge erziele. Solltest du deine Dienste derweilen gratis anbieten, greife ich gerne auf diese zurück! Übrigens hat sich bei dir ein kleiner grammatikalischer Fehler, siehe bei Punkt 1, eingeschlichen…
2. Ich habe mir von einem Seidl-Film erwartet, dass dieser Momente enthalten wird, bei denen ich es kaum noch aushalten werde. Genau das ist nicht passiert, deshalb meine Aussage “nicht sonderlich schockierend beziehungsweise überraschend”. Die vielen Lücken, die er in diesem Film lässt, sind mir entweder zu groß bzw. zu klein. Ergo kann ich alles bzw. gar nichts hinein interpretieren.
Seidl hat bei SAFARI nicht mit SchauspielerInnen gearbeitet, sondern hat echte GroßwildjägerInnen bei der Jagd begleitet. Von daher ist Seidl mit dem Film so dokumentarisch wie selten.
“Warum die Jagd-Touristen freiwillig vor die Kamera treten? Vielleicht weil sie die letzten ihrer Art sind. Wenn die Tiere aussterben, werden auch die Großwildjäger verschwinden. Warum es sie überhaupt noch gibt, bleibt auch nach diesem Film ein Rätsel – selbst für den Regisseur: “Die Jagd verstehe ich jetzt auch nicht besser. Aber ich hab’ sie kennengelernt. Ich weiß jetzt, wie sie funktioniert. Ich weiß, wie es Menschen dabei geht. Was sie letztlich antreibt, ist Jagdlust. Die haben offensichtlich manche Menschen – andere nicht.” (http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/ttt-ulrich-seidl-safari-100.html)
Diese Erkenntnis ist mir als Kinozuschauerin zu wenig. Deshalb bin ich enttäuscht. Vielleicht habe ich aber schon zu viele Seidl- und Haneke-Filme gesehen und bin inzwischen völlig abgestumpft bzw. sensationsgeil.
Deshalb formuliere ich den “Wunsch” den Standpunkt der Einheimischen mehr einzubeziehen. Da wäre meines Erachtens zusätzliches Erkenntnismaterial vorhanden, ob diese den Jagdtourismus Goutieren oder aus rein kapitalistischen Gründen akzeptieren. Dass du glaubst, dass mit diesem zusätzlichen Blickwinkel der Film eine klassische Dokumentation darstellen würde, finde ich etwas hysterisch.
Schön wäre gewesen, wenn dein Kommentar eine filmische Diskussion ausgelöst hätte. Hast du den Film überhaupt schon gesehen? Welche Szenen konntest du kaum aushalten? Welches Gefühl hat der Film bei dir ausgelöst? Welche Fragen lässt er bei dir offen? Welche Szenen haben dich berührt? Ich kann aus deinem Kommentar nur herauslesen, dass du wahrscheinlich ein großer Seidl-Fan bist und meinen Review sehr persönlich nimmst, oder ein Hater, der einfach jemanden eins reinwürgen will. Das lässt dein Punkt 1 vermuten. Ganz inhaltslos ist mein Review jedoch nicht, immerhin liefert er genug Stoff, sodass du einen Kommentar verfasst hast. 😉
#dialogue #letsdiscuss #inhaltsebene
LikeLike
10. October 2016 at 12:01
Seidl landet einen thematischen Blattschuss – leider ist SAFARI filmisch nur ein Streifschuss.
Das Thema ist gut, keine Frage, aber inhaltlich hat der Film wenig Substanz vorzuweisen. SAFARI bietet 1,5 Stunden rohes Beobachtungsmaterial, wie sich die Jäger an ihre Beute heranpirschen. Nach dem ersten Tötungsakt folgen zwei weitere Auflauerungen (das Wort gibt es nicht) und Niederstreckungen. Insgesamt werden Gnu, Zebra und Giraffe geschossen und anschließend gehäutet. Dass die Jägerfamilie dann über den Reiz des Tötens in Euphorie gerät und Freudentränen in den Augen hat, während man sich “(„)Waidmannsheil” zuruft, sowie über die tolle Zebradecke für z(Z)uhause schwärmt, finde ich /jetzt nicht/ (weder) sonderlich schockierend /beziehungsweise/ (noch) überraschend.
Generell kommt es mir (so) vor, als hätte Seidl das Material neben der Produktion von Paradies:Liebe zwecks örtlicher Nähe abgefrühstückt (?) und jetzt für einen /eigenen/ (weiteren) Film aufbereitet. Ergo wurde das Thema halbherzig und oberflächlich behandelt. Da geht definitiv noch mehr!
Interessant wäre gewesen, die Einheimischen, neben der üblichen Hilfsarbeiten, wie Abtransport der Kadaver, Häuten der Tiere und dem Zerkleinern des Fleisches(,) tief greifender zu thematisieren und vor allem deren Standpunkt in dem ganzen Spiel heraus zu arbeiten. Natürlich weist Seidl auf die Ausbeutung und noch immer vorherrschende rassistische Betrachtung des “(„)schwa(r)zen Mannes” hin, indem ein Pensionisten-Ehepaar immer wieder versichert, dass die Schwarzen eh ganz “(„)normale” Menschen sind, mit eben dunklerer Haut /und der hätte/ (, die) mit den Jagdurlaubern das große Los gezogen (hätten). (Da dieser) /, der ja folglich/ mindestens doppelt soviel Geld ins Land bringt wie der normale Urlauber: “(„)Gnu € 615,-, Wasserbock €1.400,-,…”
Visuell ist vor allem das Standbild diverser ausgestopfter Tierköpfe an der Wand /inmitten stehend/ (in deren Mitte) eine junge schwarze Frau (steht), besonders ausdrucksstark. Jedoch welche Auswirkungen der Jagdtourismus auf die Einheimischen und die Natur hat, sieht man lediglich angedeutet in der Porträtierung (das Wort gibt es nicht) einer einheimischen Familie(,) die über Feuer etwas kocht und des “(„)schwarzen Mannes”(,) der nach getaner Arbeit an der Lehmwand einer Wellblechhütte lehnt und an einem rohen Kadavarbein kaut. Mehr als das bisschen Fleisch am Zebrabein bekommt auch der hungrige Kinozuschauer nicht zu beißen. Das ganze Pulver wurde leider im Trailer schon verschossen.
Fünf Minuten Korrektur. Das war nicht böse gemeint, aber ich finde, wenn man etwas veröffentlicht, schadet es nicht, sich seinen Text nochmal durchzulesen. Dazu braucht es kein_e Lektor_in, das schafft man noch selbst. Und: es steht halt doch der eigene Name drunter.
So ganz nebenbei: Ich bin kein_e Hater_in. Und ja, ich habe den Film gesehen, darum habe ich mir auch herausgenommen deine Rezension zu kommentieren. Und schön, dass du meine Kritik rezensiert hast und auch mir Vorschläge machst, wie ich die nächste besser/schöner gestalten kann.
Wenn ich mich nicht irre, hat Seidl beispielsweise auch in „Im Keller” „echte Menschen” im Sinne von den Kellerbesitzer_innen gezeigt. Nichtsdestotrotz sind seine „Dokumentarfilme” stark inszeniert. Wie bewertest du denn die Szenen, in denen die Großwildjäger_innen interviewt werden? Auch wenn kein Skript zu Grunde liegt (was ich nicht glaube), dann sind stark inszeniert. Postkartenformat usw.
Dass es keine Momente gegeben hat, die doch nicht mehr ausgehalten hast, spricht doch auch für sich: Heißt, dass du/wir/die_der Zuseher_in schon ziemlich stark abgestumpft sind, wenn es um Tiere geht. Ich muss sagen, dass er mich, wie viele andere (siehe diverse Kritiken von Standard usw.), bei der Szene als die Giraffe getötet wird und man ihren Todeskampf beobachtet, sehr getroffen hat und ich an meine Schmerzgrenze gekommen bin. Sicherlich nicht so, wie bei manch anderem seiner Filme, aber dennoch.
Und nochmal zu dem, was du dir vom Film gwünscht hättest: Seidl beobachtet. Seidl bewertet nicht. Das ist dir überlassen und ich finde, die Fragen die du aufwirfst und, die du gerne beantwortet hättest, würden verlangen, dass er wertet. Aber das ist eben nur meine Meinung.
Hysterische Grüße 😉
LikeLike
10. October 2016 at 23:53
Ich habe deinen Kommentar gelesen, allerdings ist aufgrund des zeitlichen Abstandes und wenig neuer Erkenntnis mein Diskussionseifer stark abgeklungen.
Ein kleiner Anstoß hier am Rande: weitere Aspekte im Film aufzunehmen, heißt noch lange nicht, dass sofort eine Bewertung stattfindet. Auch die Verhältnisse bei den Einheimischen könnte man “nur” beobachten, genauso wie man die Jäger “nur” beobachtet.
Am interessantesten an deinem Kommentar finde ich aber, dass du deine eigene Meinung mit diversen Kritiken von Standard usw. untermauerst, als hätte sie sonst keine Berechtigung. 😉
LikeLike